Kündigung unwirksam, wenn Arbeitgeber Betriebsrat nicht ausführlich genug unterrichtet

Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 01.02.2011 – 9 Sa 1133/09

Eine Kündigung ist nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat zuvor überhaupt beteiligt zu haben, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt. Die Einschaltung des Betriebsrats im Rahmen des Anhörungsverfahrens vor einer Kündigung hat über die reine Unterrichtung hinaus den Sinn, ihm Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zu der Kündigungsabsicht aus der Sicht der Arbeitnehmervertretung zur Kenntnis zu bringen. Die Anhörung soll in geeigneten Fällen dazu beitragen, dass es gar nicht zum Ausspruch einer Kündigung kommt. Aus diesem Sinn und Zweck der Anhörung folgt für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, dass er dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalts gibt. Diese Kennzeichnung des Sachverhalts muss so genau und umfassend sein, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Der Arbeitgeber genügt der ihm obliegenden Mitteilungspflicht nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt, ohne die für seine Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen (Rn.39).

Weigert sich der Arbeitnehmer, die ihm im Rahmen einer rechtmäßigen Ausübung des Weisungsrechts zugewiesene Tätigkeit auszuführen, so kann dies im Falle der sog. beharrlichen Arbeitsverweigerung den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen. Danach setzt die beharrliche Arbeitsverweigerung in der Person des Arbeitnehmers Nachhaltigkeit im Willen voraus; der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass er eine Weisung des Arbeitgebers nicht befolgt, vielmehr muss eine intensive Weigerung vorliegen (Rn.59).

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29.10.2009, Az.: 13 Ca 4759/09, wird verworfen, soweit der Kläger die Erteilung eines Zwischenzeugnisses begehrt. Im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 29.10.2009, Az.: 13 Ca 4759/09, auf die Berufung des Klägers teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 12.03.2009, zugegangen am 13.03.2009, nicht aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens 1. Instanz trägt der Kläger zu 20 %, die Beklagte zu 80%.

II.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt zu 5% der Kläger, zu 95 % die Beklagte.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Arbeitgeberkündigung.

2

Der am 3.6.1975 geborene Kläger war seit dem 2.4.2002 bei der Beklagten als Montagearbeiter mit einem Gehalt von zuletzt € .. brutto beschäftigt. Eingesetzt war der Kläger im Werk der Beklagten in U. mit rund 600 Beschäftigten. Aufgrund von Unstimmigkeiten mit seinem Kollegen und Arbeitspartner, Herrn B., legte der Kläger am 5.3.2009 gegen 9:00 Uhr seine Arbeit nieder. Der Kläger verließ trotz der Aufforderung seines Vorgesetzten, des Zeugen D., die Angelegenheit erst in einem Gespräch mit Herrn B. zu klären, den Betrieb der Beklagten und fuhr mit seinem Pkw zu seinem Hausarzt in B-Stadt. Dieser erstellte dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 5. und 6. März 2009.

3

Am 10.3.2009 fand ein Personalgespräch zwischen der Personalleiterin und Zeugin, Frau A., und dem Kläger statt. Mit einer schriftlichen Anhörung vom 11.3.2009 wurde der Betriebsrat zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung angehört. Dieser widersprach der Kündigung nicht.

4

Mit Schreiben vom 12.3.2009 sprach die Beklagte eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aus, welche dem Kläger am 13.3.2009 zuging.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es fehle ein Kündigungsgrund für eine fristlose sowie für eine ordentliche Kündigung. Aufgrund einer schweren Beleidigung durch seinen Kollegen B. sei er am 5.3.2009 nicht mehr in der Lage gewesen, seiner Arbeit nachzugehen. Da er sich auch nicht in der Lage gesehen habe, noch ein klärendes Gespräch zu führen, habe er seinem Vorgesetzten mitgeteilt, dass er zum Arzt gehen müsse. Sein Arzt habe ihm die Arbeitsunfähigkeit attestiert. Darüber hinaus bestreite er die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats.

6

Der Kläger hat beantragt:

7

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.3.2009, zugegangen am 13.3.2009, zum 13.3.2009 nicht aufgelöst worden ist.

8

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 13.3.2009 hinaus fortbestehe.

9

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

10

4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für den Fall des Obsiegens des Klägers mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer. 1 zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Montagearbeiter oder in einer vergleichbaren Stellung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.

11

Die Beklagte hat beantragt:

12

Klageabweisung.

13

Die Beklagte hat vorgetragen, die fristlose Kündigung sei gerechtfertigt, da der Kläger am 5.3.2009 trotz Hinweises auf die personalrechtlichen Konsequenzen durch seinen Vorgesetzten seine Arbeit niedergelegt habe. Er habe ein klärendes Gespräch abgelehnt und auf die Ermahnung durch seinen Vorgesetzten hin erwidert, dass ihm dies „scheißegal wäre, dann wäre er eben krank“. Nachdem der Kläger ausdrücklich gefragt worden sei, wie es sein könne, dass er auf einmal krank wäre, habe dieser erwidert, er habe Kreislaufprobleme. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger trotz der behaupteten Kreislaufprobleme infolge des angeblichen Streites in der Lage gewesen sei, mit seinem Pkw noch bis zu seinem Hausarzt in B-Stadt zu fahren, bestünden erhebliche Zweifel an der behaupteten Krankheit. Vielmehr sei die Ankündigung der Erkrankung im Zusammenhang mit zwei weiteren Vorfällen am 2. und 4. März 2009 zu sehen, wo der Kläger ebenfalls seine Unlust an seiner Tätigkeit zum Ausdruck gebracht habe und eine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit angekündigt habe. Die Kündigung werde des Weiteren darauf gestützt, dass der Kläger im Rahmen des Personalgesprächs am 10.3.2009 seinen Vorgesetzten D. als „Blödmann“ und „Arschloch“ beschimpft habe. Hierbei habe es auch kein Missverständnis gegeben, sondern die Äußerungen des Klägers hätten sich ausdrücklich auf seinen Vorgesetzten bezogen. Die Ankündigung von Krankfeiern sowie die Beleidigung des Vorgesetzten stellten derart schwerwiegende Arbeitsvertragsverletzungen dar, dass eine Abmahnung vorliegend entbehrlich gewesen sei. Andere freien und für den Kläger geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten zur Weiterbeschäftigung im Betrieb der Beklagten seien in U. nicht vorhanden. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden, insbesondere sei er ausreichend und umfassend über die fraglichen Vorfälle informiert worden.

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Hierauf hat der Kläger erwidert, er sei am 5.3.2009 tatsächlich nicht mehr arbeitsfähig gewesen. Ernstliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit könnten nicht bestehen. Weder habe er gesagt, dass ihm die angedrohten Konsequenzen „scheißegal“ wären und er „dann eben krank“ werde, noch habe er entsprechende Äußerungen am 2. und 4. März 2009 getätigt. Seinen Vorgesetzten habe er am 10.3.2009 im Rahmen des Personalgesprächs nicht beleidigt. Vielmehr habe er gegenüber Frau A. angegeben, sein Schichtführer bezeichne ihn selbst manchmal als „Arschloch“. Frau A. habe ihn möglicherweise falsch verstanden. Er habe auch klar gestellt, dass er dies immer als Frotzelei unter Landsmännern aufgefasst habe, da beide aus dem Kosovo stammten. Die Kündigung sei auch unverhältnismäßig, da der Kläger auch in einer anderen Abteilung hätte weiterbeschäftigt werden können.

15

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 27.3.2009 (Bl. 1 – 28 d. A.), 4.8.2009 (Bl. 60 – 65 d. A.), 7.10.2009 (Bl. 89 – 93 d. A.), 14.10.2009 (Bl. 94 – 96 d. A.) und 23.10.2009 (Bl. 118 d. A.) sowie die Schriftsätze der Beklagten vom 8.6.2009 (Bl. 50 – 59 d. A.), 23.9.2009 (Bl. 75 – 83 d. A.) und 20.10.2009 (Bl. 111 – 116 d. A.) samt ihren Anlagen verwiesen.

16

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben zu der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe seine Arbeitsunfähigkeit mehrfach angekündigt, durch Einvernahme der Zeugen D., B. und M. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 27.10.2009 (Bl. 119 – 126 d. A.) verwiesen.

17

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen bzw. ordentlichen Kündigung sei nicht begründet, da ein wichtiger Grund zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliege. Nach den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung bei Ankündigung einer noch nicht bestehenden Krankheit müsse ein Kündigungsgrund auch dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer eine noch folgende Krankschreibung nach behaupteter plötzlich auftretender Arbeitsunfähigkeit androht, um sich der Lösung eines betrieblichen Konflikts zu entziehen. Der Arbeitnehmer verletze seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht, wenn er einen ihm nicht zustehenden Vorteil durch eine unzulässige Drohung zu erreichen versuche. Nach Durchführung der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger am 5.3.2009 trotz Androhung personalrechtlicher Konsequenzen von seinem Vorgesetzten nach seinem Streit mit dem Kollegen die Arbeit niedergelegt habe und dem Einwand der drohenden Konsequenzen damit begegnet sei, dass ihm dies „scheißegal“ sei und er dann „eben krank“ wäre. Der Kläger habe die Androhung einer Krankheit durchaus als Konfliktlösungsmechanismus angesehen. Die damit verbundene Drohung gegenüber dem Arbeitgeber stelle eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, die eine fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertige.

18

Die Behauptung des Klägers, er sei am 5.3.2009 aufgrund der Beleidigung durch seinen Kollegen tatsächlich arbeitsunfähig und damit berechtigt gewesen, die Arbeitsstelle zu verlassen, sei nicht ausreichend substantiiert. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Klägers sei erschüttert, da dieser bei Verlassen des Betriebes zumindest äußerlich keinerlei Krankheitssymptome aufgewiesen habe und den Arzt erst im Nachhinein aufsuchte. Trotz der behaupteten Kreislaufprobleme sei der Kläger selbst mit seinem Pkw zum Arzt nach B-Stadt gefahren. Der Kläger hätte in der Folge im Einzelnen darlegen und unter Beweis stellen müssen, weshalb er im fraglichen Zeitpunkt tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei.

19

Die Beklagte habe den Kläger vor Ausspruch der Kündigung auch nicht abmahnen müssen. Der Kläger sei auch von seinem Vorgesetzten ausdrücklich auf arbeitsrechtliche Konsequenzen hingewiesen worden.

20

Im Rahmen der Interessenabwägung sei zwar zu berücksichtigen, dass der Kläger drei Kinder habe, mit 34 Jahren habe er aber gute Chancen eine neue Beschäftigung zu finden, und bei einer Beschäftigungszeit von gut sieben Jahren bestehe keine besondere Rücksichtnahmeverpflichtung aufgrund der Beschäftigungsdauer.

21

Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß. Dass dem Betriebsrat nicht rechtzeitig der genaue Wortlaut der Bemerkungen des Klägers am 5.3.2009 mitgeteilt worden sei, mache die Betriebsratsanhörung nicht unvollständig, da nach dem Grundsatz der subjektiven Determination der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Informationen aus seiner Sicht vollständig mitgeteilt habe.

22

Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 5 – 10 (Bl. 162 – 167 d. A.) des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

23

Gegen dieses Urteil vom 29.10.2009, dem Kläger zugestellt am 9.12.2009, richtet sich die vom Kläger am 17.12.2009 eingelegte und mittels eines am 19.2.2010 eingegangenen Schriftsatzes begründete Berufung. Die Berufungsbegründungsfrist war bis zum 9.3.2010 verlängert worden.

24

Der Kläger macht geltend, das Arbeitsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass vorliegend ein Sachverhalt gegeben sei, bei dem eine Krankschreibung angekündigt bzw. angedroht worden sei. Dies ergebe sich weder aus dem Vortrag der Beklagten noch aus den Zeugenaussagen. Der Kläger habe sich nicht in der Lage gesehen weiterzuarbeiten, oder ein Gespräch mit dem Kollegen zu führen und erklärte, er gehe zum Arzt. Hierin liege weder eine Drohung noch eine Nötigung.

25

Das Arbeitsgericht habe den Vortrag der Beklagten, der Kläger habe auch den Vorhalt von Konsequenzen erwidert, dies sei „ihm scheißegal, dann wäre er eben krank“ nicht unberücksichtigt gelassen, obwohl er in der Betriebsratsanhörung nicht erwähnt wurde und vom Arbeitsgericht mit dem Gewicht eines kündigungsrechtlich erheblichen Grundes versehen worden sei. Im Rahmen der Interessenabwägung habe das Arbeitsgericht das geringe Gewicht und die geringen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung nicht berücksichtigt sowie die kaum mögliche Wiederholungsgefahr und den geringen Grad des Verschuldens des Klägers. Zu Unrecht gehe das Arbeitsgericht davon aus, dass hier eine Abmahnung entbehrlich sei. Eine nachhaltige Arbeitsverweigerung liege gerade nicht vor. Der Kläger sei nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit wieder zur Arbeit erschienen.

26

Der Kläger beantragt:

27

Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 29.10.2009, Az.: 13 Ca 47459/09 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 12.3.2009 nicht aufgelöst worden ist, sowie die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

28

Die Beklagte beantragt:

29

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 29.10.2009, Az.: 13 Ca 47459/09 wird zurückgewiesen.

30

Die Beklagte tritt dem erstinstanzlichen Urteil bei und führt weiter aus, dass es für die vom Kläger behauptete Beleidigung durch seinen Kollegen bislang keinen Beweis gebe. Unter Wiederholung des erstinstanzlichen Sachvortrags führt sie aus, dass der Kläger nicht ausreichend substantiiert vorgetragen habe, dass er arbeitsunfähig gewesen sei. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei widerlegt, weil der Kläger mit seinem Pkw nach B-Stadt gefahren sei. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft, da sich der Kläger wegen des entsprechenden Hinweises durch seinen Vorgesetzten der personalrechtlichen Konsequenzen sehr wohl bewusst gewesen sei.

31

Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß durchgeführt. Es bestehe keine Verpflichtung zur Darstellung im Detail. Der Betriebsrat sei mit der Betriebsratsanhörung vom 11.3.2009 in der Fassung, wie sie im Termin am 3.8.2010 vorgelegt wurde, zur Kündigung angehört worden. Bei der erstinstanzlich vorgelegten Betriebsratsanhörung handele es sich lediglich um einen Entwurf.

32

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens in der Berufung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 18.2.2010 (Bl. 175 – 185 d. A.), 15.6.2010 (Bl. 253/254 d. A.), 30.7.2010 (Bl. 265/266 d. A.) und vom 2.8.2010 (Bl. 275 – 278 d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 21.4.2010 (Bl. 245 – 252 d. A.) samt ihren Anlagen sowie auf die Protokolle vom 3.8.2010 und vom 7.12.2010 verwiesen.

33

Es wurde Beweis erhoben durch die Einvernahme der Zeugin A. zur Frage, ob der Betriebsrat mit der im Termin vom 3.8.2010 übergebenen Fassung der Betriebsratsanhörung angehört wurde. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 7.12.2010 (Bl. 321 – 325 d. A.) verwiesen.


Entscheidungsgründe

I.

34

Die Berufung ist unzulässig, soweit der Kläger mit ihr die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses begehrt.

35

Nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO hat die Berufungsbegründung eine auf den Streitfall zugeschnittene Darlegung zu enthalten, in welchen Punkten und aus welchen materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsklägers in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt. Formalbegründungen sind jedoch nicht ausreichend. Lediglich auf den Sachvortrag erster Instanz Bezug zu nehmen, reicht ebenfalls nicht aus. (vgl. Saenger, ZPO, § 520, Rn. 24 ff m.v.N.; Zöller, ZPO, § 520, Rn. 33 ff.) Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Klägers in der Berufung bezüglich des Zwischenzeugnisses nicht. Hinsichtlich des Zwischenzeugnisses enthält die Berufungsbegründung keine hinreichend konkrete Auseinandersetzung mit dem Ersturteil.

36

Hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung im Übrigen bestehen keine Bedenken. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

37

Die Berufung ist überwiegend begründet. Die Kündigung vom 12.03.2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien weder als außerordentliche Kündigung noch als ordentliche Kündigung aufgelöst.

38

1. Die Kündigung vom 12.03.2009 ist nicht als außerordentliche Kündigung wegen einer Beleidigung des Vorgesetzten wirksam, da nicht erwiesen ist, dass der Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu diesem Kündigungsgrund ordnungsgemäß angehört worden ist.

39

Eine Kündigung ist nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat zuvor überhaupt beteiligt zu haben, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt. Die Einschaltung des Betriebsrats im Rahmen des Anhörungsverfahrens vor einer Kündigung hat über die reine Unterrichtung hinaus den Sinn, ihm Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zu der Kündigungsabsicht aus der Sicht der Arbeitnehmervertretung zur Kenntnis zu bringen. Die Anhörung soll in geeigneten Fällen dazu beitragen, dass es gar nicht zum Ausspruch einer Kündigung kommt. Aus diesem Sinn und Zweck der Anhörung folgt für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, dass er dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalts gibt. Diese Kennzeichnung des Sachverhalts muss so genau und umfassend sein, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Der Arbeitgeber genügt der ihm obliegenden Mitteilungspflicht nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt, ohne die für seine Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen. (BAG, Urteil vom 17. Februar 2000 – 2 AZR 913/98 – AP Nr. 113 zu § 102 BetrVG 1972)

40

Vorliegend steht auch nach der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Betriebsrat der Beklagten mit der in der Sitzung vom 03.08.2010 übergebenen Fassung der Betriebsratsanhörung und nicht mit der mit dem Schriftsatz vom 08.06.2009 als Anlage B1 übersandten Fassung der Betriebsratsanhörung angehört wurde. Die als Anlage B1 übersandte Fassung der Betriebsratsanhörung enthält aber keine Anhörung zu einer Kündigung wegen Beleidigung des Vorgesetzten.

41

Die Beklagte hatte erstinstanzlich vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Betriebsrat zur Kündigung mit der Anlage B1 angehört wurde. In dieser wird dem Betriebsrat mitgeteilt, dass der Kläger „Fristlos zum 13.03.2009 wegen Arbeitsverweigerung gekündigt werden“ soll, „hilfsweise ordentlich fristgerecht zum 31.05.2009“. Die Anlage B1 ist auf einfachem, weißem Papier ohne den Briefkopf oder das Logo der Beklagten ausgefertigt. Der Vermerk „Vertraulich!“ oben rechts auf der ersten Seite der Anhörung ist gut lesbar.

42

Der Anhörung gemäß der Anlage B1 ist nicht zu entnehmen, dass dem Kläger wegen einer Beleidigung des Vorgesetzten gekündigt werden soll. Der Sachverhalt, auf den die Beklagte diesen Vorwurf stützt, wird auf der Seite zwei der Anhörung zwar kurz dargestellt. Als Kündigungsgrund wird in der Anhörung gemäß der Anlage B1 aber allein und ausdrücklich Arbeitsverweigerung genannt. Der Betriebsrat konnte deshalb aufgrund der Anhörung gemäß der Anlage B1 nicht davon ausgehen, dass die Beklagte den Kläger wegen einer Beleidigung seines Vorgesetzten kündigen wollte. Da für den Betriebsrat der Kündigungsgrund Beleidigung nicht erkennbar war, konnte er sich auch kein Bild von der Stichhaltigkeit dieses Kündigungsgrundes machen. Mit der Anlage B1 wurde der Betriebsrat deshalb zu einer Kündigung wegen einer Beleidigung nicht ordnungsgemäß angehört.

43

Nachdem die Beklagte mit Beschluss vom 30.07.2010 auf diesen Umstand hingewiesen wurde, legte sie im Kammertermin vom 03.08.2010 eine andere Fassung der Betriebsratsanhörung vor und trug vor, der Betriebsrat sei mit dieser Fassung der Betriebsratsanhörung zur Kündigung vom 13.03.2009 angehört worden. Nach der auf das Bestreiten dieses Vortrags durch den Kläger hin durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Betriebsrat mit der in der Sitzung vom 03.09.2010 vorgelegten Fassung der Betriebsratsanhörung zur Kündigung angehört wurde.

44

Zwar sagte die Zeugin A. im Termin vom 07.12.2010 aus, es handele sich bei der am 03.08.2010 übergebenen Fassung der Betriebsratsanhörung um diejenige, welche dem Betriebsrat übergeben wurde. Diese Aussage hat die Kammer aber nicht in dem Maße überzeugt, dass vernünftige Zweifel schweigen. Die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussage werden durch folgende Umstände begründet:

45

Die Zeugin hat erklärt, bei der in der Sitzung vom 03.08.2010 übergebenen Fassung der Betriebsratsanhörung handele es sich um eine vor Übergabe an den Betriebsrat gefertigte Kopie der dem Betriebsrat übergebenen Unterlage. Die Zeugin hat weiter erklärt, die während ihrer Aussage vorgelegte Unterlage sei eine Kopie der Originalunterlage des Betriebsrats. Da es sich nach Aussage der Zeugin somit in beiden Fällen um eine Kopie der dem Betriebsrat übergebenen Originalanhörung handeln soll, müssten die Unterlagen identisch sein. Dies ist aber nicht der Fall. Die Unterschriften der Zeugin in den beiden Fassungen weichen eindeutig voneinander ab. Eine Erklärung für diesen Widerspruch blieb die Zeugin zunächst schuldig. Weiter führte sie dann aus, dass sie sich das nur so erklären könne, dass sie ausnahmsweise die Anhörung zweifach ausgedruckt und unterschrieben habe, dies aber normalerweise nicht so mache.

46

Ein weiterer Umstand, der zumindest ungewöhnlich ist, liegt darin, dass die während der Aussage vorgelegte Fassung der Betriebsratsanhörung, die eine Kopie der Originalunterlage des Betriebsrats sein soll, von der damaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden im dafür vorgesehenen Formular quittiert wurde. Eine Quittung des Betriebsrats auf dem Anhörungsschreiben, das in seinen Unterlage verbleibt, macht keinerlei Sinn.

47

Ein weiterer Umstand, der Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin aufkommen lässt, ist die abweichende äußerliche Form der Anlage B1 und der im Termin vom 03.08.2010 vorgelegten Fassung der Betriebsratsanhörung. Zum einen ist es erstaunlich, dass es der Beklagten bei der Vorbereitung der beiden Kammertermine vor dem Arbeitsgericht nicht aufgefallen ist, dass es sich bei der Anlage B1 nicht um die Originalanhörung des Betriebsrats handelt, obwohl diese nach dem zweitinstanzlichen Vortrag mit einem deutlich sichtbaren Logo versehen war. Die Verwechslung hätte deshalb selbst ohne Lektüre des Inhalts der Anhörung auffallen müssen. Zum anderen ist auf der Anlage B1 das Wort „Vertraulich!“ gut lesbar und exponiert angebracht, in einer Weise die Sinn macht, wenn man kein Papier mit dem Logo der Beklagten verwendet. Auf der am 03.08.2010 vorgelegten Anhörung verschwindet das Wort „Vertraulich!“ unter dem Logo der Beklagten. Das Wort „Vertraulich“ an dieser Stelle anzubringen macht für jemanden, der das Layout des Logos der Beklagten kennt, nur Sinn, wenn er beabsichtigt, die Anhörung wie bei der Anlage B1 geschehen, auf einfachem Papier auszudrucken.

48

Die vorgenannten Umstände schließen nicht aus, dass es sich bei der am 03.08.2010 vorgelegten Fassung der Betriebsratsanhörung tatsächlich um die dem Betriebsrat am 11.03.2009 übergebene Fassung handelt. Es ist durchaus möglich, dass bei der Vorbereitung der erstinstanzlichen Kammertermine der Betriebsratsanhörung so wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, dass das Fehlen des durchaus auffälligen Logos und damit die Verwechslung nicht aufgefallen ist. Es ist auch durchaus möglich, dass der Betriebsrat sich selbst den Erhalt der Anhörung auf der bei ihm verbleibenden Unterlage quittiert. Ebenso ist es nicht ausgeschlossen, dass jemand den Vermerk „Vertraulich!“ so anbringt, dass er wegen des Logos, das man zu verwenden beabsichtigt, praktisch nicht lesbar ist. Dass beides wenig Sinn macht, schließt nicht aus, dass es vorkommt. Ebenso ist es nicht ausgeschlossen, dass die Zeugin die Anhörung entgegen ihrer ursprünglichen Aussage und ihrem normalerweise geübten Vorgehen zweifach ausgedruckt und unterschrieben hat. Nur ist es nach alledem nicht mal überwiegend wahrscheinlich, dass es sich bei der am 03.08.2010 vorgelegten Fassung der Betriebsratsanhörung um die Fassung handelt, mit der der Betriebsrat am 11.03. 2009 zur Kündigung vom 13.03.2010 angehört wurde. Es existiert auf jeden Fall eine Fassung der im Termin vom 03.08.2010 vorgelegten Betriebsratsanhörung mehr als die Zeugin zufriedenstellend erklären konnte. Die durch die Vermehrung der Anhörungsschreiben aufgeworfenen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin und vor dem Hintergrund der weiteren ungewöhnlichen Umstände konnte die Kammer deshalb nicht zu der Überzeugung kommen, dass der Betriebsrat mit der im Termin vom 03.08.2010 vorgelegten Fassung angehört wurde.

49

Nachdem nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass der Betriebsrat mit der am 03.08.2010 übergebenen Fassung der Betriebsratsanhörung angehört wurde, und die als Anlage B1 vorgelegte Anhörung keine Anhörung des Betriebsrats wegen des Kündigungsgrundes Beleidigung enthält, kommt es auf die Frage, ob der von der Beklagten vorgetragene Sachverhalt vor dem Hintergrund des im Betrieb geübten Sprachgebrauchs überhaupt für eine Kündigung ausreicht, nicht mehr an.

50

2. Die Kündigung vom 13.03.2009 ist nicht als außerordentliche Kündigung wegen Androhung einer Erkrankung bzw. Nötigung wirksam.

51

2.1 Zu einer Kündigung wegen Nötigung oder Androhung einer Erkrankung wurde der Betriebsrat ebenfalls nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört.

52

Es kann dahin stehen, ob der von der Beklagten dargelegte Sachverhalt, dass der Kläger, nachdem er auf personalrechtliche Konsequenzen des Verlassens des Arbeitsplatzes hingewiesen worden war, erklärte, dies sei ihm „scheißegal, dann wäre er eben krank“ geeignet ist, eine Kündigung wegen angekündigter Krankheit bzw. Nötigung zu rechtfertigen. Der Betriebsrat ist zu diesem Kündigungsgrund jedenfalls nicht angehört worden.

53

Eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats setzt voraus, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat den Sachverhalt, auf den er die Kündigung stützt, so konkret schildert, dass dieser in der Lage ist, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich selbst ein Bild zu machen (s.o.). Bei einer Kündigung wegen Nötigung bzw. Ankündigung einer Erkrankung gehört dazu, dass dem Betriebsrat die Äußerung des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber für eine Nötigung oder eine Ankündigung einer Erkrankung hält, hinreichend konkret mitgeteilt wird. Eine derartige Sachverhaltsschilderung ist in keiner der von der Beklagten vorgelegten Betriebsratsanhörungen enthalten. Der Betriebsrat konnte sich deshalb zu diesem Kündigungsgrund gerade kein Bild machen.

54

Der Mangel der Betriebsratsanhörung ist auch nicht geheilt, wenn man zugunsten der Beklagten als wahr unterstellt, dass die Zeugin A. den Betriebsratsvorsitzenden am 19.05.2009 über diese Äußerung und Wortwahl des Klägers informierte. Die Information über eine Äußerung ist keine Anhörung zu einer Kündigung wegen dieser Äußerung. Eine ordnungsgemäße Anhörung nach § 102 BetrVG hat die Beklagte trotz des diesbezüglichen Hinweises vom 30.07.2010 nicht dargelegt.

55

Die Beklagte kann sich auch nicht auf den Grundsatz der subjektiven Determination stützen. Die Tatsache, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Anhörung diese Äußerung und damit der Kündigungsgrund der angekündigten Krankheit bzw. Nötigung nicht bekannt war, entbindet sie nicht von der sich aus § 102 BetrVG ergebenden Pflicht, den Betriebsrat zu diesem Kündigungsgrund anzuhören, wenn sie die Kündigung auch auf diesen Sachverhalt stützen will.

56

2.2 Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht gerechtfertigt wegen der Ankündigung einer Erkrankung am 02.03.2009 und 04.03.2009.

57

Selbst wenn man den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten als wahr unterstellt, stellt er keinen wichtigen Grund für eine Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB dar. Selbst wenn der Kläger am 02.03. 2009 und 04.03.2009 angekündigt haben sollte, er werde sich krankschreiben lassen, handelte es sich dabei offensichtlich um reine Unmutsäußerungen. Unstreitig ist der Kläger jeweils am Folgetag pünktlich zur Arbeit erschienen. Er hat also seine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis nicht verletzt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger diese Äußerungen getan hat, um die Beklagte zu einem bestimmten Handeln zu bewegen. Sie sind auch nach dem Vortrag der Beklagten weder im Zusammenhang mit einer Forderung des Klägers nach Urlaub oder sonstigen Vergünstigungen gefallen. Derartige, wenn auch unglückliche Unmutsäußerungen, bilden keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung.

58

3. Die außerordentliche Kündigung vom 12.03.2009 ist nicht wirksam als außerordentliche Kündigung wegen Arbeitsverweigerung.

59

Eine nachhaltige rechtswidrige und schuldhafte Arbeitsverweigerung ist an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet. Aufgrund seines Weisungsrechts kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einseitig bestimmte Arbeiten unter Beachtung billigen Ermessens iSv. § 315 BGB zuweisen, soweit das Weisungsrecht nicht durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt ist. Weigert sich der Arbeitnehmer, die ihm im Rahmen einer rechtmäßigen Ausübung des Weisungsrechts zugewiesene Tätigkeit auszuführen, so kann dies im Falle der sog. beharrlichen Arbeitsverweigerung den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen. Danach setzt die beharrliche Arbeitsverweigerung in der Person des Arbeitnehmers Nachhaltigkeit im Willen voraus; der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass er eine Weisung des Arbeitgebers nicht befolgt, vielmehr muss eine intensive Weigerung vorliegen.(vgl. BAG, Urteil vom 05.04.2001 – 2 AZR 580/99, Rn. 24, m.w.N.) Vorliegend fehlt es an einer rechtswidrigen und schuldhaften Arbeitsverweigerung in diesem Sinne. Zwar hat der Kläger am 05.03.2009 die Arbeit abgebrochen und ist am 06.03.2009 nicht zur Arbeit erschienen. Der Kläger war aber nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet, da er arbeitsunfähig krank war. Der Kläger hat dies durch eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestätigt.

60

Die Beklagte ist darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen des Kündigungsgrundes und damit auch für Umstände, die einen vom Gekündigten vorgetragenen Rechtfertigungsgrund ausschließen. (BAG, Urteil vom 06.09.2007 – 2 AZR 264/06, Rn. 24, BAG, Urteil vom 17.06.2003 2 AZR 123/02, Rn. 25, m.w.N.) Die Beklagte hat aber weder konkrete Umstände vorgetragen noch Beweis dafür angeboten, dass der Kläger am 05. und 06. März entgegen der vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht arbeitsunfähig krank war und somit der Arbeit ungerechtfertigt fern blieb. Derartige Umstände liegen auch nicht in der Tatsache, dass der Kläger noch selbst mit dem Pkw nach B-Stadt fahren konnte. Es ist nicht ersichtlich, dass das Führen eines Pkws bei Vorliegen eines situationsbedingten Bluthochdrucks und eines Infekts, was dem Kläger ärztlich attestiert wurde, nicht mehr möglich ist. Darauf, ob es sinnvoll oder verkehrssicher ist, in einer solchen Verfassung ein Fahrzeug zu führen, kommt es vorliegend nicht an.

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4. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 12.03.2009 beendet.

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4.1 Die von der Beklagten hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung ist nicht bereits nach §§ 4, 7 KSchG unwirksam. Der Kläger hat zwar erstinstanzlich ausdrücklich nur einen Kündigungsschutzantrag hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung gestellt, dieser Antrag ist aber dahin auszulegen, dass der Kläger damit auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung angreifen will. Dies ergibt sich aus den gegen die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung gerichteten Ausführungen des Klägers in der Klageschrift, die nur Sinn machen, wenn mit den Kündigungsschutzantrag auch die ordentliche Kündigung angegriffen wird.

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Darüber hinaus, wäre die ordentliche Kündigung selbst dann nicht nach §§ 4, 7 KSchG wirksam, wenn man den Klageantrag nicht dahin auslegen wollte, dass dieser auch die ordentliche Kündigung umfasst, da dann der vom Kläger gestellte allgemeine Feststellungsantrag den Beendigungstatbestand ordentliche Kündigung erfasst hätte. Der Kläger hat in der Klageschrift ausdrücklich klargestellt, dass es sich bei dem Antrag um einen selbständigen allgemeinen Feststellungsantrag handelt.

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4.2 Eine hilfsweise ordentliche Kündigung wegen Beleidigung scheitert bereits daran, dass der Betriebsrat zu einer Kündigung, auch einer ordentlichen Kündigung wegen Beleidigung nicht angehört wurde (s.o.).

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4.3 Eine ordentliche Kündigung wegen angekündigter Krankheit bzw. Nötigung scheitert soweit die Beklagte sich auf die Äußerung des Klägers beruft, arbeitsrechtliche Konsequenzen seien ihm egal, dann wäre er eben krank, daran, dass hierzu der Betriebsrat nicht angehört wurde (s.o.).

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Soweit die Beklagte sich darauf beruft, der Kläger habe bereits am 02.03.2009 und am 04.03.2009 erklärt, er werde krank, liegt darin jedenfalls ohne vorangegangene Abmahnung kein Grund für eine verhältnismäßige verhaltensbedingte Kündigung. Nachdem der Kläger diese Äußerungen nicht tat, um die Beklagte zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen und auch tatsächlich jeweils am nächsten Tag pünktlich zur Arbeit erschien, handelt es sich bei diesen Äußerungen um reine Unmutsäußerungen. Es kann dahin stehen, ob diese Äußerungen bereits geeignet sind, wegen ihrer Eignung zur Störung des Betriebsfriedens, eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) darzustellen. Selbst wenn man dies zugunsten der Beklagten unterstellt, handelt es sich jedenfalls nicht um eine Pflichtverletzung, bei der eine Kündigung ohne vorgegangene Abmahnung verhältnismäßig wäre. Bei derartigen Unmutsäußerungen handelt es sich nicht um ein Verhalten bei dem ein Arbeitnehmer annehmen muss, der Arbeitgeber werde dieses auf keinen Fall hinnehmen.

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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. 92 Abs. 1 ZPO.

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6. Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

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Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen nach § 72 a ArbGG die Parteien hingewiesen werden, zulassen sollte.

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